Coaching-Effizienz verlernen

Im Folgenden möchte ich von einem ungewöhnlichen Problem berichten, das mir im Coaching zunehmend begegnet: Viele Menschen können nicht mehr damit aufhören effizient zu sein.

Coaching in der Praxis:

Herr R. ist IT Fachmann in einem großen Konzern, Leiter von 19 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Er kam mit dem Wunsch zu mir in die Praxis, wieder mehr Energie, Spaß und Lebensqualität zu finden. In seiner Abteilung gab es in den letzten 4 Jahren 3 Umstrukturierungen. Er hat sein Team immer wieder umgebaut, seine Mitarbeiter begleitet, wenn es darum ging, erneut in einen neuen Bereich eingegliedert zu werden und er hat sich auf wechselnde Vorgesetzte eingestellt, dies alles klaglos und mit großer Effizienz.
In den letzten Monaten spürte Herr R. eine zunehmende Erschöpfung. Da er es gewohnt ist, Probleme anzugehen und flexibel nach Lösungen zu suchen, ist er auch diesem Problem nicht ausgewichen. Er hat einen Yogakurs angefangen, hat nach 38,5 Wochenstunden das Büro verlassen und wollte sich nun verstärkt seiner Familie widmen. Seine beiden Töchter, 13 und 17, hatten allerdings keinerlei Interesse an dieser überraschenden Zuwendung, und seine Frau hat zu ihm gesagt, sie möchte kein weiteres Umstrukturierungsprojekt sein. Herr R. ist nachdenklich, ratlos und immer noch sehr erschöpft.

Was ist passiert?

Im Verlauf der Beratung ist deutlich geworden, dass Herr R. auch das Problem Erschöpfung wie ein zu managendes Projekt angegangen ist: Analyse des Problems, Maßnahmenplanung, Controlling. Beim Controlling fiel dann auf, dass die Maßnahmen nicht greifen. Herr R. ist immer noch erschöpft und traurig.
Ich arbeite mit vielen überlasteten Menschen. Diese Menschen kommen häufig erst an einem Zeitpunkt zu mir, an dem ihre Lebensweise bereits zu Erschöpfung, manchmal sogar zu einem Burnout geführt hat. In der Analyse der Lebens- und Arbeitsgewohnheiten wird dann deutlich, dass diese Menschen auch Ihre Freizeit, sofern vorhanden, nach Effizienzkriterien richtiggehend organisiert haben. Die Freunde sind häufig auch Kollegen oder werden sie danach ausgesucht, ob sie ein wertvolles Netzwerk darstellen. Sport wird aus Figur- oder Gesundheitserwägungen gemacht, und manchmal wird auch das Leben der Kinder nach Nützlichkeitserwägungen organisiert.(Frühförderung usw.). Nichts wird mehr um der Sache selbst Willen gemacht. Wenn die Menschen, die häufig sehr intelligent sind, dies in unserer gemeinsamen Analyse erkannt haben und diese Erkenntnis natürlich auch gleich umsetzen möchten, wird häufig die erst Schwierigkeit der Aufgabe klar, weil auch Maßnahmen, die der Entspannung dienen sollen, dann häufig dem gleichen System folgen. Es wird effizient Yoga gemacht, fleißig meditiert, und ansonsten fällt es sehr schwer, unausgefüllte Zeit zu ertragen. Offensichtlich fällt es dem Gehirn schwer, damit aufzuhören, wenn es vorher ausreichend lange auf Effizienz getrimmt war.
So bin ich gerade im Coaching damit beschäftigt, Methoden zu entwickeln, wie man sich ein alles umfassendes Effizienzdenken wieder abgewöhnen kann, so dass die Effizienz, die ja als solche eine sinnvolle Ressource und Fähigkeit ist, wieder an einen Platz verwiesen wird, der ihr zusteht. Effizienz soll die persönlichen Arbeitsabläufe so organisieren, dass Platz für die schönen und wichtigen Dinge im eigenen Leben bleibt.

Vorgehen imCoaching- Was ist nun aus Herrn R. geworden?

Herr R. war erst einmal erstaunt, dass es im Coaching nicht darum ging, was er anders machen solle. Zunächst einmal hat er dann sein Verhalten, seine Gedanken und seine Emotionen einfach nur beobachtet. Nach diesen Beobachtungen kam Herr R. in die nächste Sitzung und erzählte, dass er überall immer nur die Energie zum Organisieren gefunden habe, sein ganzes Leben nur noch ein Verwalten von to-do-Listen sei. Als nächstes hat Herr R. einen Lebenslauf angefertigt, in dem nur die Dinge aufgetaucht sind, die ihm früher in seinem Leben Spaß gemacht haben. So ist ihm eingefallen, dass er schon als Kind immer gerne geschnitzt hat, dies hatte ihm sein Vater beigebracht, und das hat er auch in späteren Urlauben immer wieder gerne getan. Wir haben für ihn die Aufgabe entwickelt, täglich Zeit für diese Tätigkeit einzuräumen. Dies war für Herrn R. ein Anfang, sich selbst wieder näher zu kommen. In der Folge haben sich viele Dinge in seinem Leben verändert.
Was Sie ausprobieren können, wenn Ihnen dieses Thema bekannt vorkommt und Sie etwas daran ändern möchten:
• Machen Sie sich auf die Suche nach der Energie des kindlichen Spiels. Wann haben Sie das letzte Mal etwas getan, worin Sie so richtig versunken sind und wobei Sie gar nicht mehr gemerkt haben, wie die Zeit verfliegt? Das kann, wie bei Herrn R., ein altes Hobby sein. Es kann aber auch sein, dass Sie dies erleben, wenn Sie mit Ihren Kindern spielen, oder, wenn Sie eine Freizeitbeschäftigung ausüben, die volle Konzentration erfordert, wie z. B. Klettern oder Jonglieren.

• Nehmen Sie sich täglich 15 Minuten Zeit, um gar nichts zu tun. Beobachten Sie, welche Gedanken auftauchen. Versuchen Sie, die Gedanken nur wahrzunehmen und nicht zu beurteilen. So haben Sie die Chance zu bemerken, wie Ihr Denken auf Effizienz und Organisieren programmiert ist.
• Tun Sie scheinbare Nebentätigkeiten des täglichen Lebens mit voller Aufmerksamkeit, das kann das Essen einer Mahlzeit sein, Wäsche waschen oder Geschirr spülen. Wenn Sie in Gedanken davon abschweifen, kommen Sie immer wieder mit Ihrer Aufmerksamkeit darauf zurück, was Sie gerade tun.
• Die letzten beiden Übungen kommen aus dem Achtsamkeitskonzept : MBSR (engl.:Mindful based stress reduction). Wenn Sie sich weiter informieren möchten:

http://www.mbsr-verband.de

 

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