Burnout in der psychologischen Beratungspraxis

Burnout in der psychologischen Beratungspraxis

„Ich weiß nicht mehr, wie ich das alles unter einen Hut bekommen soll“. Das höre ich in letzter Zeit im Zusammenhang mit Burnout und anderen Erschöpfungsphänomenen besonders oft. Immer wieder habe ich Kund*innen bzw. Klient*innen im Coaching, die entweder mit der beschleunigten Arbeitswelt schwer klarkommen und/oder mit der Versorgung kleiner Kinder und einem anstrengenden Beruf überfordert sind – also Menschen, die an Phänomenen leiden, die in den Medien und der allgemeinen gesellschaftlichen Diskussion als Burnout beschrieben werden. Einflussfaktoren sind: Eine Arbeitswelt ohne räumliche oder zeitliche Grenzen mit dem Anspruch ständiger Erreichbarkeit, starker Leistungsdruck durch befristete Verträge, Karriereentwicklung, gleichzeitige Elternschaft und häufig noch Unterstützung bedürftiger eigener Eltern.
Trotz der vielen Diskussionen in den Medien und der Häufigkeit solcher Situationen kommen meine Klient*innen bzw. Kund*innen häufig zu mir in die Praxis mit der Idee, mit ihnen „stimme etwas nicht“. Die Erwartung an mich ist dann häufig, ihnen bei der Selbstoptimierung zu helfen, mit der Vorstellung, wenn Sie alles richtig machen würden, dann hätten Sie keine Probleme mehr.

Burnout in der Praxis

Frau L. beispielsweise ist zu mir ins Coaching gekommen, um ihren Alltag besser zu bewältigen. Sie beschimpfte sich selbst als unorganisiert und fand, alle anderen bekämen es doch auch hin, Beruf und Familie zu vereinbaren. Frau L. ist Führungskraft von sieben Mitarbeiter*innen in einem kleinen Marketingteam in der Internetbranche. Sie hat zwei Kinder und einen Mann, der regelmäßig zwischen Berlin und London pendelt. Frau L. wächst ihre Situation über den Kopf, sie hat in diesem Jahr schon mehrere Infekte gehabt, schläft häufig schlecht und vergisst immer mehr. Anlass, das Coaching zu beginnen, waren an einem Tag ein kleiner Autounfall, das Vergessen ihrer Schlüssel im Büro und am Abend das Ohrfeigen ihrer jüngster Tochter, weil diese nicht ins Bett gehen wollte. Die Erwartung an das Coaching war nun bessere Selbstorganisation, womit dann alles zu schaffen wäre .
Frau L. gerät mit ihren Aufgaben aber nicht wegen eigener Unorganisiertheit an die Überforderungsgrenze, sondern weil sie einfach zu viele Aufgaben hat. Dies zu hören, war für Frau L. schon einmal entlastend. Damit war eigentlich schon der wichtigste Schritt im Coaching getan.
Darüber hinaus haben wir natürlich auch an eigenen Ansprüchen gearbeitet, am Verhältnis zu ihrem Partner und an Entlastungsmöglichkeiten, wie einer Putzhilfe und Kinderbetreuung. Das eigentlich Zentrale war aber, Überforderung nicht mehr als individuelles Versagen mit den dazugehörigen Schuldgefühlen zu begreifen.

Wenn Sie sich in einer ähnlichen Lage befinden oder sogar von einem Burnout betroffen sind, können folgende Schritte helfen:

  • Tauschen Sie sich mit anderen Menschen über Ihre Probleme aus. Sie sind nicht die Einzige, die von einem Burnout oder Erschöpfungssymptomen betroffen ist. Sprechen Sie mit den Menschen in Ihrer Umgebung darüber, wie es Ihnen wirklich in Ihrer Situation geht. Viele Menschen, die eine Fassade aufrecht erhalten („Bei mir funktioniert alles super!“), bleiben in Ihrer Situation sehr allein.
  • Untersuchen Sie genau, an welcher Stelle Sie zu Perfektionismus neigen. (Muss es wirklich immer der selbstgebackene Kuchen für das Sommerfest in der Schule Ihrer Kinder sein?)
  • Nehmen Sie Hilfe in Anspruch, Putzhilfen, Kinderbetreuung oder auch die Hilfe anderer Eltern in der gegenseitigen Unterstützung bei der Kinderbetreuung.

Wichtig: Wenn Sie an manchen Tagen das Gefühl haben, alles bricht über Ihnen zusammen, dann machen Sie sich klar: Nicht Sie haben versagt, sondern die Aufgabe ist eine, die fast alle Menschen überfordern würde.

Mehr zum Burnout-Synrom: https://de.wikipedia.org/wiki/Burnout-Syndrom.

Burnout in der psychologischen Beratungspraxis

Ein Kommentar zu „Burnout in der psychologischen Beratungspraxis

  • 15. Oktober 2015 um 17:21 Uhr
    Permalink

    Liebe Stefanie,
    aus meiner Sicht spielen bei dem, was du beschreibst, v.a. die Ansprüche, die die KlientInnen an sich und das Leben haben, eine Rolle. Wenn alles gut bzw. „optimal“ laufen muss, die Karriere im Job stringent vorangetrieben, die Erziehung der Kinder mit den allerbesten Startchancen für deren weiteres Leben bewerkstelligt werden muss, die Beziehung harmonisch und lebendig gelebt werden soll, neben einem sinnvoll gestalteten gesellschaftlichen Leben und das am besten jederzeit und immer gleichzeitig, dann ist das nicht nur eine völlige Überforderung, sondern reichlich unrealistisch.

    Ich finde, der Wunsch nach Selbstoptimierung trägt dazu bei, diese Entwicklung voran zu treiben, insofern es lohnt es sich unbedingt, diese Ansprüche in Frage zu stellen. Ein „Kerngeschäft“ von Therapie und Coaching ist, zu ergründen und zu erfahren, was man selbst will –mitunter im Unterschied zu dem, was von innen oder außen gefordert wird.

Kommentare sind geschlossen.