Coaching-Beispiel: Führungsrolle einnehmen

Situation

Frau R. ist Leiterin eines Teams von Sozialarbeiter*innen in der ambulanten Jugendhilfe. Sie kommt zum Coaching, weil sie Schwierigkeiten hat, ihre Mitarbeiter*innen zu führen. Frau R. war eineinhalb Jahre zuvor noch selber Mitglied des Teams und ist dann vom Geschäftsführer zur Leitung ernannt worden. Sie begann voller Ideale: Sie wollte eine Führungskraft sein, die für ihren kooperativen Führungsstil geschätzt wird. Folglich war sie entsetzt, als sie merkte, dass manche Mitarbeiter*innen mit ihr konkurrierten und ihre Anweisungen nicht befolgten. Nachdem Frau R. lange erfolglos versucht hat, die Konflikte im freundschaftlichen Gespräch zu lösen, begann sie, autoritär durchzugreifen und mit Abmahnungen zu drohen. Inzwischen hat sich die Stimmung in ihrem Team so stark verschlechtert, dass der Geschäftsführer eingeschaltet worden ist und Gespräche zur Klärung anberaumt wurden. Frau R. fühlt sich dem nicht gewachsen und hat sich zunächst krankschreiben lassen.

Coachingprozess

Der Coachingprozess besteht aus zwei Teilen:

  • der Krisenintervention und
  • der Reflexion von Führungsrolle und Führungsstil.

1. Krisenintervention

Frau R. musste einen Weg finden, wie sie die nächsten Wochen organisiert und wie sie in den aktuellen Gesprächen verfährt.

Wir haben zunächst eine Strategie für das Gespräch mit dem Geschäftsführer herausgearbeitet. Frau R. hat in diesem Gespräch zum einen eigene Fehler eingestanden. Zum anderen hat sie eine Analyse der Teamsituation präsentiert, die wir im Coaching ausgearbeitet haben. Davon ausgehend, hat sie sich die Versetzung einer besonders problematischen Mitarbeiterin gewünscht, zudem Supervision für das Team. Im Gegenzug hat sie angeboten, das Coaching selbst zu bezahlen. Der Geschäftsführer hat den Wünschen von Frau R. entsprochen und ihr ein halbes Jahr gegeben, um die Situation „in den Griff“ zu bekommen. Sollte sie es nicht schaffen, so sollte sie wieder in die Basisarbeit zurückkehren, in ein anderes Team desselben Trägers.

2. Reflexion von Führungsrolle und Führungsstil

Um den Führungsstil und die Führungsrolle von Frau R. zu reflektieren, haben wir eine Fehleranalyse durchgeführt:

  • Frau R. hat anfangs zu lange gewartet, bis sie auf provokatives Verhalten ihrer Mitarbeiter*innen reagiert hat.
  • Frau R. hat die Provokationen aus ihrem Team persönlich genommen und auch auf der persönlichen Ebene reagiert.
  • Frau R. hat für ihre Mitarbeiter*innen nicht nachvollziehbar plötzlich ihren Führungsstil gewechselt und ist autoritär geworden. Dadurch wurde sie für ihr Team unberechenbar.

In der nachfolgenden Zeit erarbeiteten wir Maßnahmen, wie Frau R. einen neuen Anfang in ihrem Team machen kann.

Ergebnis des Coachings

Als Frau R. aus ihrer Krankschreibung kam, hat sie ein klärendes Gespräch mit ihren Mitarbeiter*innen gesucht, in dem sie Fehler eingestanden und Regeln des Miteinanders definiert hat. So hat sie für Transparenz gesorgt und sich klar und berechenbar verhalten.

Die Mitarbeiter*innen von Frau R. waren nach deren Rückkehr sehr empört über die Versetzung der Kollegin. Als sie jedoch merkten, dass Frau R. sich klar und nachvollziehbar verhält, dass sie konsequent ist und vor allem an der Qualität der inhaltlichen Arbeit interessiert, entspannte sich das Verhältnis. Nach einem halben Jahr fand das Gespräch mit dem Geschäftsführer statt und Frau R. blieb in der Leitungsposition.

Dauer des Coachings

Zwei Jahre, anfangs wöchentliche, zum Ende sechswöchentliche Termine.